Das Fach Gräzistik (Griechische Philologie)

Die griechische Kultur einschließlich ihrer Sprache und Literatur steht am Anfang der Entwicklung der europäischen Geistesgeschichte. Sie war beeinflusst von anderen antiken Hochkulturen in Vorderasien und im Mittelmeerraum und hat umgekehrt auf diese eingewirkt, besonders intensiv auf die römische.

Über die Spätantike ist sie in das christliche Mittelalter eingegangen, im lateinischsprachigen Westen häufig nur in vermittelter Form. Ab der Renaissance kam es zu intensiverer Bezugnahme auf die griechischen Quellen, häufig aber in vom Hellenismus überformtem Verständnis. Die europäische Literatur, Kunst und Wissenschaft haben daher immer wieder in unterschiedlichster Weise auf die griechische Antike Bezug genommen, die komplexe Rezeptionsgeschichte bedarf aber der kritischen Prüfung. Die Kenntnis der griechischen Literatur ist zudem für eine kritische Beschreibung unseres eigenen geistigen Standortes unverzichtbar, weil die Unterepochen der europäischen Moderne seit der Renaissance ihr Selbstverständnis stets in Abgrenzung von der (insbesondere griechischen) Antike gewonnen haben. Unser Selbstverständnis als aufgeklärte, kritische, moderne Menschen wird immer wieder vor dem Hintergrund der Vorstellung eines angeblich noch naiven, anschaulich denkenden, nicht reflektierenden antiken Menschen beschrieben und kann deshalb nur vor diesem Hintergrund problematisiert und differenziert betrachtet werden.

Die Auseinandersetzung mit antiken griechischen Konzeptionen für eine kritische Aufarbeitung der Moderne einschließlich der Jetzt-Zeit bildet daher das eigentliche Zentrum der griechischen Philologie in Rostock. Dies ist nur in interdisziplinärer Kooperation mit den anderen altertumswissenschaftlichen Fächern zu leisten.

Der Unterricht geht exemplarisch vor, versucht aber zugleich, Proben der "großen" Autoren zu geben: Homer, Hesiod, die alte Lyrik, die Dramatiker Aischylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes, die Historiker Herodot und Thukydides, die Philosophen Platon und Aristoteles, sowie die Redner. Es werden aber auch für die Wissenschaftsgeschichte und für andere Lebensbereiche relevante Texte gelesen. Ebenso werden neben der archaischen, klassischen und hellenistischen Zeit auch die Kaiserzeit und die Spätantike berücksichtigt (z.B. Plutarch, Plotin und Proklos).

Die Studierenden werden ausdrücklich ermuntert, eigene Interessenschwerpunkte zu pflegen, auf die in der Lehre nach Möglichkeit auch eingegangen wird.